Mit der Bibel durch Jerusalem
Leonid Banchik
Kanaanäische Provinz
Die biblische Geschichte Jerusalems – das ist ein langer Weg von der Zeit Abrahams an bis zu einer großen Stadt, die „... aus dem Himmel von Gott herabkam“ (Off.21,10). Zum ersten Mal wird die Stadt mit dem Namen Schalem in 1.Mose 14, 18 erwähnt. Abraham kehrt zurück nach einem gelungenen Feldzug. Im Tal der Könige gehen ihm zwei Könige entgegen: der König von Sodom (sein Name wird nicht genannt, da diese Stadt in schlimmen Sünden lebte) und der König von Salem (Schalem) Melchisedek. Laut Josephus Flavius trug das Kidrontal früher den Namen Tal der Könige. Über dem vermuteten Ort jener Begegnung steht heute das Kloster Abrahams.
Melchisedek („gerechter König“ oder „König der Gerechtigkeit“) bietet dem Sieger Brot und Wein an und Abraham gibt ihm seinerseits das Zehntel von seiner Beute. Wer war er, der erste uns bekannte König der großen Stadt? Die Schrift berichtet kaum etwas über seine Person, doch im Psalm 110 findet sich eine Prophetie über Jesus: „Du bist Priester in Ewigkeit nach der Weise Melchisedeks!“ (Ps. 110, 4). Im Hebräerbrief wird die Bedeutung dieser Priesterschaft erläutert, welche höher ist als die Priesterschaft Abrahams. Die einen Theologen neigen dazu in Melchisedek ein Beispiel für Theophanie (Gotteserscheinung), der göttlichen Erscheinung Christi zu sehen, andere wiederum halten ihn für einen Engel. Dennoch können wir nicht bestreiten, dass es sich hier um eine historische Gestalt handelt, in welcher sich zwei Funktionen des Messias vereint haben – König und Hohepriester. Deshalb ist das erste uns bekannte Oberhaupt Jerusalems ein Vorbild auf Jesus. Möglicherweise war es in der kanaanäischen Periode der Geschichte Jerusalems eine Sitte den Königen besonders aussagekräftige Namen zu geben. Im 10. Kapitel des Buches Josua begegnen wir einem anderen Oberhaupt der Stadt – Adonisedek („Herr der Gerechtigkeit“). Er war einer der fünf Könige, die gegen die Hebräer, gegen den Gott Israels auszogen und einen ehrenlosen Tod fanden.
Doch lassen Sie uns zu Abraham zurückkehren. In 1.Mose 22, 2 bittet ihn Gott ins Land Moria zu gehen und seinen Sohn Isaak zu opfern. Er bittet tatsächlich und erteilt keinen Befehl. Im hebräischen steht die Silbe „na“, welche „Bitte“ bedeutet. So wollte der Herr den Glauben Abrahams prüfen. Aus 2.Chronik 3, 1 wissen wir, dass der Berg Moria der Ort ist, an dem der Tempel erbaut wurde. Das bedeutet, dass Abraham wieder in die Gegend von Jerusalem kam (damals gehörte der Tempelberg noch nicht zum Stadtgebiet). Es gibt viele Auslegungen über den Namen des Berges. Moria verbindet man mit („mor“ – Weihrauch), („arur“ – der Verdammte). Meiner Meinung nach ist die Auslegung des Wortes Moria als („har Tmura“ – der Berg des Ersatzes). Gott ließ den Tod von Abrahams Sohn nicht zu. An seiner Stelle wurde ein Lamm geopfert, welches zu noch einem Sinnbild Jesu des Messias wurde. Durchaus denkbar sind auch andere Erklärungen: („tora“ – Lehre), („or“ – Licht). Abraham nannte diesen Ort „der Herr wird ersehen“ („erae“ - ), was auch mit dem Namen des Berges verwandt ist.
Nach 1.000 Jahren „ersah“ Gott hier die Stelle für seinen Tempel. In 1.Mose 28 wird der außergewöhnliche Traum Jakobs beschrieben. Er sieht eine Leiter, die in den Himmel aufsteigt, sieht die Engel und danach auch Gott selbst. Der Herr bestätigt Jakob seinen Bund mit Abraham und der Ort wird von Jakob Beit El (Haus Gottes) genannt. Einige Ausleger sind der Meinung, dass dieses Ereignis auf dem Berg Moria bei Jerusalem statt fand. Die Stadt Beit El entstand später unweit der Hauptstadt Israels.
Bis zur Eroberung durch König David war Jerusalem eine kleine Provinzstadt, die nicht unter anderen Städten Kanaans herausragte. Die Völker, welche dieses Land bewohnten, waren überzeugte Götzendiener, was die vielen Archäologiefunde bestätigen. Sie betrieben eine Vielzahl magischer Kulte, eine lange Liste von welchen in der Schrift erwähnt wird: Wahrsagerei, Beschwörung, Zauberei, Geisterbeschwörung, Kinderopfer usw. Das Urteil des Gottes Israels über die Kanaanäer ist eindeutig: „Denn ein Greuel für den Herrn ist jeder, der diese Dinge tut. Und um dieser Greuel willen treibt der Herr, dein Gott, sie vor dir aus“ (5.Mo. 18,12). Alle diese Völker sind tatsächlich vom Erdboden verschwunden, nur in Zeugnissen der Geschichte ist die Erinnerung an sie noch geblieben.
In außerbiblischen Quellen wird Jerusalem zum ersten Mal im 18 – 19 Jh. v.Chr. erwähnt. In Oberägypten gab es einen Brauch, Lehmfiguren von Menschen herzustellen, auf die anschließend die Namen feindlicher Gebiete oder Städte, mit ihren Königen geschrieben wurden. Diese Lehmfiguren wurden bei bestimmten Zeremonien der Verfluchung zerschmettert. Oft tat man dies vor einem Feldzug. Auf einer bis in unsere Zeit erhaltenen Lehmfigur stehen die Namen zweier Könige und der Stadt Ruschalimum. Wir wissen nicht, ob die Mühen ägyptischer Magier damals Erfolg hatten, aber im 14. Jh. v.Chr. befand sich Jerusalem unter der Oberherrschaft Ägyptens. Das bezeugen die El Amarna-Schriften – ein Archiv des Pharao mit 380 Briefen. In sechs von denen bittet der König von Jerusalem (Ursalem) den Pharao Echnaton um Hilfe gegen den ständig angreifenden Stamm Habiru (Habiri). Um herauszufinden, wer diese Habiru sind, müssen wir eine kleine Rechnung anstellen. Die Geschichtswissenschaftler streiten viel über die Zeit des Auszuges der Hebräer aus Ägypten. Der Unterschied in den Meinungen beträgt etwa 200 Jahre. In 1.Kön. 6, 1 steht: „Und es geschah im 480. Jahr nach dem Auszug der Söhne Israel aus dem Land Ägypten, im vierten Jahr der Regierung Salomos über Israel ... da baute er das Haus für den Herrn“. Wenn man sich an die Schrift hält, so verließ Israel in den 40-er Jahren des 15. Jh. v.Chr. seine Peiniger. Wenn man dazu die 40 Jahre der Wüstenwanderung hinzurechnet, kann man zu einem interessanten, wenn auch nicht unbestrittenen Ergebnis gelangen: mit Habiru bezeichnete man die Juden, die in jener Zeit unter der Führung von Josua (Jehoschua Ben Nun) gerade das Land eroberten. Die Berichte über Jerusalem im Buch Josua und im Buch Richter weichen geringfügig voneinander ab, aber wir finden darin keine Widersprüche. „Und die Söhne Juda kämpften um Jerusalem und nahmen es ein und schlugen es mit der Schärfe des Schwertes, und die Stadt steckten sie in Brand“ (Rich. 1, 8). „Aber die Söhne Benjamin vertrieben nicht die Jebusiter, die Bewohner von Jerusalem. So blieben die Jebusiter bei den Söhnen Benjamin in Jerusalem wohnen bis auf diesen Tag“ (Rich. 1, 21). Dasselbe wird in Josua 15, 63 über die Söhne Juda gesagt. Das kommt daher, dass Jerusalem zum Anteil des Stammes Benjamin gehören sollte, doch an der Grenze zum Gebiet Judas liegt. Die Grenze verlief entlang des Tales Ben-Hinom. Die Söhne Juda eroberten Jerusalem, doch danach gelang es den Jebusitern einen Teil des einst großen Stadtgebietes zurückzuerobern. Auf diese Weise waren die Jebusiter zwischen dem Stamm Juda im Süden und dem Stamm Benjamin im Norden eingeklemmt. So blieb es „bis auf den heutigen Tag“ – der Zeit der Niederschrift des Buches Richter (11. Jh. v.Chr.).
Die letzten Entdeckungen israelischer Archäologen beweisen diesen Sachverhalt. Es wurden Ruinen einer kanaanäischen Festung aus dem 18. Jh. v.Chr. entdeckt, die im untersten Teil der Stadt gebaut war, im Kidrontal, um die Stadt und die einzige natürliche Wasserquelle Gihon (über die Gihonquelle werden wir noch gesondert sprechen) zu schützen. Es ist durchaus denkbar, dass die Festung durch die Söhne Juda zerstört wurde, so dass die Jebusiter später neue Befestigungen auf dem Berghang errichten mussten. Die Fläche der Stadt wurde 2 – 3 mal kleiner. Die Einwohnerzahl betrug etwa 2 – 2,5 Tausend Einwohner. Jerusalem (Jebus) wurde zu einer unbedeutenden Provinzstadt, aber sie hatte feste Mauern. Die Israeliten lebten mit den Jebusitern in Frieden, doch sie mieden diese Stadt. „Sie waren bei Jebus, und der Tag war sehr gesunken, da sagte der Knecht zu seinem Herrn: Komm doch und lass uns in diese Stadt der Jebusiter einkehren und darin übernachten! Sein Herr aber sagte zu ihm: Wir wollen nicht in einer Stadt von Fremden einkehren, die nicht von den Söhnen Israel sind ...“ (Rich. 19, 11f). Ein kleiner Stamm der Jebusiter, der sich von der restlichen Welt durch mächtige Mauern abschottete, war von ihrer Unangreifbarkeit absolut überzeugt. Doch einige Jahrhunderte später lagerte vor den Mauern von Jebus das Heer von König David...
Jerusalem zur Zeit von Esra und Nehemia Jerusalem zur Zeit von Esra und Nehemia
An der Festungsmauer der Altstadt, nahe des Jaffatores gibt es eine Gedenkinschrift. Sie entstand vor nicht so langer Zeit, vor ca. 30 Jahren, nachdem die israelische Armee Ostjerusalem befreit hatte und die Bauarbeiter die Mauer wieder reparierten. Die Inschrift beinhaltet ein kurzes Zitat aus dem Buch Nehemia: „Die Mauern Jerusalems werden wiederhergestellt“. Wir werden noch zu diesen Worten zurückkehren, doch lassen Sie uns vorher die vorangegangenen Ereignisse in Erinnerung rufen. Um 722 v.Chr. unterwirft Assyrien Israel, das Reich der 10 Stämme.
Die Juden wurden in die Gefangenschaft vertrieben, und ihr Land besiedelte man mit anderen Völkern, welche man später Samariter nannte. Um 586 v.Chr. zerstört Nebukadnezar den Tempel, unterwirft sich endgültig Judäa und schließt die Deportation der Juden nach Babylon ab. Insgesamt gab es drei dieser Deportierungen. Die Samariter, wie auch die mit ihnen benachbarten Völker, hielten nun das Land Israel für ihr eigenes und sich selbst für die Ureinwohner (erinnert Sie das an nichts?). Doch es vergehen noch 48 Jahre und das uneinnehmbare Babylon wird von den Persern unter Kyrus unterworfen. Es verändert sich die Staatsmacht, es verändert sich die Politik. Kyrus erlässt einen Erlass, der es den Juden erlaubt zurückzukehren und den Tempel wiederherzustellen (Esr.1, 3-4). Tontafeln mit diesem Erlass fand man im Irak und in Meggido. Josephus Flavius fügt folgendes hinzu: „Dies erfuhr Kyrus beim lesen eines Buches, in welchem 210 Jahre früher der Prophet Jesaja seine Prophezeiungen niederschrieb... Und, als Kyrus das gelesen hatte, beugte er sich vor Gott, und er wurde von besonderem Tatendrang und Eifer ergriffen, um das Geschriebene zu erfüllen“ (Altertümer 11, 1,2). Was hatte denn Jesaja über ihn geschrieben? „(der HERR), der von Kyrus spricht: Mein Hirte, er wird alles ausführen, was mir gefällt, indem er von Jerusalem sagen wird: Es werde aufgebaut, und der Grundstein des Tempels werde gelegt!“ (Jes.44, 28). Konnte denn Kyros, nachdem er so eine Prophezeiung gelesen hatte, tatenlos bleiben? Damals kehrten ca. 42.000 zurück nach Israel, die Historiker sind aber der Meinung, dass damals bereits etwa 2 Mio. Juden in Babylon lebten. Nur 2% fassten soviel Mut, um ungeachtet der Gefahren an einen leeren Ort zu kommen und alles neu zu beginnen. Es wurde noch nicht einmal die Grundmauer des Tempels gelegt, wie schon der Widerstand der sogenannten Ureinwohner einsetzte, doch sie konnten sich dem Erlass des Kyrus nicht widersetzen. Sobald es in Persien einen anderen König gab, folgte sofort eine Klage, die uns sehr stark an alle modernen Klagen erinnert (Esr.4, 12-14). Insbesondere schockiert der Satz: „die Juden, welche von hier weggingen, sind zu uns nach Jerusalem gekommen“.
Es sind nur 48 Jahre vergangen und die Landbewohner halten die Juden bereits für Fremdlinge, und das zerstörte Jerusalem für ihre Stadt. Die Bauarbeiten mussten gestoppt werden. Der zweite Tempel wurde erst 516 v.Chr. zur Regierungszeit von Darius fertiggestellt. Die Tradition hält ihn für den Sohn der Königin Esther, doch es wird heute von vielen Wissenschaftlern bestritten. Der neue Bau war aber keineswegs mit dem Tempel Salomos vergleichbar. Über diesen sind nur wenige Informationen bis in unsere Zeit erhalten geblieben. Es wird angenommen, dass beide Räume (das Heligtum und das Allerheiligste) ihre alten Maße beibehalten haben, jedoch an Schönheit eingebüßt haben. Die Bundeslade mit den Steintafeln ist verschwunden. Und dennoch hat das Volk Israel wieder ein Haus Gottes bekommen.
Um 458 v.Chr. kehrt der zweite Teil des Volkes, angeführt vom Priester und Schriftgelehrten Esra zurück. Er ordnete den Tempeldienst, das Studieren der Tora, entfernte aus dem Volk die Ehen mit Götzendienern, doch Jerusalem blieb immer noch ohne Mauern, vollkommen hilflos. Und um 444 v.Chr. macht sich der Mundschenk des Königs Artaxerxes Nehemia auf den Weg in die Stadt. Eines der Hauptämter am Hof wahrnehmend (der Mundschenk entspricht etwa dem heutigen Vize-Premierminister), zog er jeglichen Verdiensten vor dem Herrn in seiner Stadt zu dienen, welche in den Augen der Perser zur tiefsten Provinz zählte. Doch Nehemia wußte ganz genau was es für eine Stadt ist und was er für sie tun musste. Der Herr hatte ihn berufen, da Israel in der damaligen Situation eine starke Persönlichkeit brauchte, die fähig währe schnell die Arbeit zu koordinieren und den Feinden Widerstand zu leisten. Im Buch Nehemia 2,19 werden die Anführer der feindlichen Völker genannt. Es waren die Horoniter (vermutlich eher die Samariter gemeint), die Ammoniter und die Araber. Sie alle hielten sich für Herren dieses Landes und sahen in den Juden Fremdlinge. Hier ist die Antwort des ehemaligen Mundschenks an die Unterdrücker: „Der Gott des Himmels, er lässt es uns gelingen. Und wir, seine Knechte, wollen uns aufmachen und bauen. Ihr aber habt weder Anteil, noch Anrecht, noch Gedenken in Jerusalem“ (2, 20). Nehemia weiß es, dass der Herr bei der Wiederherstellung seiner Stadt helfen wird. Er weiß aber auch, dass die Widersacher 1) „keinen Anteil... in Jerusalem“ haben. Die Stadt gehört Gott und es können nur Gottes Knechte darin wohnen; 2) „kein Anrecht... in Jerusalem“ haben (in hebr. „zdaka“ - „Gerechtigkeit“). Die Gerechtigkeit ist in der Stadt bei denen, die sich Gott anvertraut haben, und nicht bei Seinen Feinden; 3) „kein Gedenken... in Jerusalem“ haben. Ihre Anwesenheit in der Stadt soll aus der Geschichte gestrichen werden.
Die Reaktion der Feinde ware böser Sarkasmus, doch Nehemia hat gegen alle Unannehmlichkeiten zwei Waffen: das Gebet und die Tat. Er wendet sich zu Gott nach Hilfe und setzt den Bau der Mauer fort. Und jetzt sind wir bei dem Vers angekommen, ein Zitat aus welchem am Jaffator geschrieben steht: „Und es geschah, als Sanballat und Tobija und die Araber, Ammoniter und Aschdoditer hörten, dass Ausbesserung an den Mauern Jerusalems Fortschritte machte, weil die Breschen sich zu schließen begannen, da wurden sie sehr zornig“ (Neh.4, 1). Schade, dass dieser Vers da nicht komplett zitiert wird. Denn er ist in unseren Tagen merkwürdig aktuell geworden. Denn heute sind sehr viele Menschen zornig, weil die Altstadt wieder israelisch wurde, und Jerusalem fortlaufend ausgebaut wird und sich in eine sehr schöne Stadt umgewandelt hat. Die Feinde Nehemias fassten den Beschluss, Krieg gegen ihn zu führen, doch wieder betet und handelt er, indem er Nachtwachen aufstellt. Die Bibel berichtet uns unter welchen Anstrengungen die Menschen gearbeitet haben: „Und die Lastträger trugen : Mit der einen Hand arbeiteten sie am Werk, während die andere die Waffe hielt“ (Neh.4, 11).
Die Stadt Davids liegt an einem ziemlich steilen Berg. Das bedeutet, das die Arbeiter jedes mal mit ihrer schweren Last und noch mit einer Waffe dazu hochsteigen mussten. Und ungeachtet des feindlichen Widerstandes, der Verbreitung von Unzufriedenheit, der Verleumdung, der schlaflosen Nächte, der furchtbaren Übermüdung, wurden die Mauern in nur 52 Tagen aufgebaut – einer für jene Zeit unvorstellbar kurzen Frist. Aus einer kleinen Siedlung wurde Jerusalem wieder zu einer gut geschützten Stadt. Heute ist es schwer festzustellen, welche Reste der Stadtmauer auf die Zeit von Nehemia zurückzuführen sind. Dennoch wissen wir, während wir dem Pfad durch das archäologische Schutzgebiet der Stadt Davids entlangschreiten, dass hier eine große Heldentat, unter der Leitung des persischen Mundschenks, begangen wurde. In den letzten Tagen, wenn Jerusalem von allen Seiten von Feinden umgeben sein wird, wenn sie meinen werden, dass es nur ein Schritt bis zum Sieg ist, wird Isrels Hilfe nicht mehr von Nehemia kommen. Dann wird Jesus Christus auf die Erde zurückkehren, um seine Stadt zu verteidigen und seine Knechte zu retten. Preis und Ehre Ihm dafür.
Jeschua in Jerusalem
Jesus wurde in Bethlehem geboren, wuchs in Nazareth auf und besuchte Jerusalem vorwiegend während der jüdischen Feste. In Jerusalem, der Stadt Gottes, fanden die Ereignisse statt, die die Weltgeschichte und das Bewusstsein der Menschen veränderten. In diese Stadt zog Jesus feierlich ein als der Messias, hier wurde Er vor Gericht gestellt und ging Seinen Leidensweg, von der Residenz des Pilatus bis Golgatha. In Jerusalem ereignete sich die Auferstehung Jesu von den Toten. Von hier aus fuhr Er zu Seinem Vater auf. Die letzten Worte an Seine Jünger waren: „... und ihr werdet meine Zeugen sein zu Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde“ (Apg 1:8).
Wie wir später sehen werden, begann die Ausbreitung der Guten Nachricht ebenfalls in der Heiligen Stadt.
Wir werden nun versuchen, wichtige Orte, die mit dem Namen Jesu’ und Seinen Jüngern verbundenen sind, chronologisch aufzusuchen. Wir beginnen mit dem damaligen Jerusalem. Von 37 bis 4 v.Chr. regierte Herodes der Große unter der Protektion Roms in Judäa. Die Juden verachteten diesen König einmal wegen seiner idumäischen Herkunft (die Idumäer waren die Nachkommen Esaus), dann wegen seiner Ergebenheit dem verhassten Rom gegenüber und schließlich wegen der kaum erträglichen Steuern. Herodes war ein brutaler Mörder. Wie viele andere Tyrannen, litt er an Verfolgungswahn. Überall meinte er Verschwörungen zu sehen. Herodes brachte fast alle Familienmitglieder Hasmonäer um, einer Dynastie, die vor ihm regierte. Er tötete seine Frau Mariamne und zwei Söhne, obwohl er nur dank dieser Frau einen rechtlichen Anprüche auf den Thron hatte. Die Ermordung der (männlichen) Kinder zu Bethlehem ist nur eines der ungeheuren Verbrechen des Königs, dessen Namen zum Synonym wurde. Herodes wusste, dass sein Tod eine Befreiung für die Bewohner Jerusalems und von ganz Judäa sein wird. Und dann, als er schon schwer erkrankt war, plante er ein Verbrechen, nicht weniger grausam als das Blutbad zu Bethlehem. Josephus schreibt, dass Herodes seine Schwester Salomia mit ihrem Mann zu sich rief. Sofort nach seinem Tod sollte die erstere die Truppen zusammenrufen und die Rennbahn in der Hauptstadt umzingeln lassen, so dass keiner lebendig herauskommen konnte. Erst dann würde ihn „das Volk mit aufrichtigem Kummer ehren“. Zum Glück führte Salomia diesen Plan nicht aus.
Für welche Verdienste nennt man einen der größten Tyrannen der Geschichte „den Großen“? Herodes war ein großer Baumeister. Die Reste seiner Paläste in Massada, das Herodion und Jericho sind Zeugnisse seiner Baukunst. In Jerusalem ließ Herodes die Obere Stadt bebauen (heutiges Jüdisches und Armenisches Viertel); dort ließen sich der städtische Adel und die Priesterschaft nieder. Einige Bauten des herodianischen Viertels sind im Museum zu sehen. Im nördlichen Stadtteil, dem verwundbarsten für die Feinde, ließ der König an Stelle der Anlagen der Hasmoneischen Periode die viertürmige Antonius-Festung errichten, die spätere traditionelle Gerichtsstätte Jesu. Die zweite von Herodes errichtete Festung schützte den (nicht erhalten gebliebenen) Königspalast. Man weiß nicht, ob er sich innerhalb der Festung oder neben ihr befand. Diese Festung und Hochburg von Herodes, nannten die Kreuzritter versehentlich den Turm Davids. Insgesamt hatte sie drei Türme. Herodes gab ihnen die Namen der ihm teuersten Menschen, das waren seine Frau Mariamne, die er dennoch tötete, sein Bruder Phasael und sein Freund Hippikus. Erhalten geblieben ist lediglich ein Turm. Während des römisch-jüdischen Krieges wurde diese Festung zur letzten Bastion der Stadtverteidiger.
Die Zitadelle des Herodes ist die zweite Gerichtsstätte für Jesus, worauf wir noch zu sprechen kommen. Herodes ließ eine Wasserleitung aus den Teichen Salomos (in einem Stadtteil Bethlehems gelegen) legen und löste damit das ständige Problem der Trinkwasserversorgung der Stadt. Das trug zum Wachstum der Bevölkerung Jerusalems bei (nach manchen Quellen bis zu 100.000 Einwohner). Jerusalem wurde eine der größten Städte der damaligen Zeit.
Der wichtigste Schatz der Stadt war der von Herodes erbaute Tempel. Man nennt ihn manchmal „der Tempel ohne Nummer“. Das Gebäude des Heiligtums wurde abgerissen und innerhalb von eineinhalb Jahren neu errichtet. Das Territorium des Tempelbergs wurde in südlicher Richtung fast um das Zweifache verlängert. Heutzutage könnten dort 12 Fußballplätze angelegt werden. Auf solch einer großen Fläche ließ Herodes viele Nebengebäude errichten, das Gebäude des Synedrions (das Oberste Gericht Judäas) und den Verwaltungspalast. Man baute die Aussenmauer aus Massivblöcken, die in den Steinbrüchen Jerusalems und Umgebung ausgehauen wurden. Die Länge des größten Steinblocks der Westmauer beträgt 14 Meter und das Gewicht übersteigt 500 Tonnen. Unter ihm befinden sich noch 10 Meter Mauerwerk. Wie wurde solch ein Block transportiert? Kein aus dem Altertum bekannter Mechanismus konnte das schaffen. Er wurde vielleicht durch Muskelkraft gehoben, denn am Bau der Tempelanlagen wurden gleichzeitig 10.000 Arbeiter und 1.000 Priester beschäftigt. Der Bau des gesamten Tempelkomplexes, eines der damaligen Weltwunder, wurde von den Nachkommen Herodes´ ca. 60 n.Chr. abgeschlossen. Wie es Jesus vorausgesagt hatte, wurde der Tempel zerstört. Nur die Außenstützmauern sind erhalten geblieben. Vom majestätischen Tempelgebäude, von den stolzen Säulen, von der eindrucksvollen Bronzetür Nikanors, des Kaufmanns aus Alexandria (die ‘schöne Pforte’ in Apg 3:2), ist nichts erhalten geblieben. Heute können wir nur das Huldator der südlichen Stützmauer sehen. „Hulda“ bedeutet auf Iwrith „die Ratte“. Solch ein Name ist damit verbunden, dass das Tor in den 200 Meter langen Tunnel führte, durch den die Menschen zum Tempel gelangten.
Ein Teil des Tunnels ist heute der Kellerraum der Al-Aksa Moschee, eines der wichtigsten Heiligtümer der moslemischen Welt. Aus der Stadt Davids konnte man durch den Ofel, den künstlichen Damm aus den Zeiten Salomos, auf den Tempelberg steigen. Herodes baute dort kostenlose Häuser für Bedürftige Pilger aus anderen Städten. Laut Tradition mussten die Pilger nach der Opfergabe mindestens eine Nacht in Jerusalem verbringen. Vielleicht verweilten in diesen Räumen auch Joseph und Maria mit ihren Kindern. Reiche Juden wurden von Hotels aufgenommen; die Reste eines solchen sind ebenfalls auf dem Ofel zu sehen. An der gleichen Stelle gruben die Archäologen über 50 Mikwen aus, die Wasserbecken für die rituelle Reinigung. Aber der Hauptfund der Archäologen war die Steintreppe. Es ist wegen der unterschiedlichen Stufenhöhe (90 und 40 cm) nicht möglich, auf ihr zu laufen. Denn zum Tempel sollte man würdevoll gehen, sich der Größe Gottes bewusst sein. Diese Treppe ist für uns, die an Jesus Gläubigen, besonders wertvoll, denn sie bewahrt die Fußspuren Jesu und Seiner Jünger. Wahrscheinlich sprach der Herr hier die in den folgenden Versen überlieferten Worte: „Und als Er aus dem Tempel ging, sprach zu Ihm einer seiner Jünger: Meister, siehe, was für Steine und was für Bauten! Und Jesus sprach zu ihm: Siehst du diese großen Bauten? Nicht ein Stein wird auf dem anderen bleiben, der nicht zerbrochen wird“ (Markus 13:1-2). 70 n. Chr. gingen diese Worte in Erfüllung. Nach dem Erlösungstod Jesu und Seiner Auferstehung entfiel die Notwendigkeit der Sühneopfer. Die Aufschrift über dem Doppelbogen des Hulda-Tors, dem Zerstörer des Tempels zu Ehren, ist erhalten geblieben. Sie lautet: „Titus Älius Hadrian... Vater der Erde, Priester, der die Zukunft erzählt, rechtmäßiges Stadtoberhaupt“. Diese Titel verlieh sich der römische Kaiser, der Eroberer Judäas. Allerdings ist Titus kein Einzelfall. Viele Machthaber dieser Welt liebten es, sich verschiedene Titel zu verleihen. In der Tat aber gibt es nur einen Vater der Erde – unser HERR und Sein Sohn ist König, Priester und Prophet. Nur Jesus allein ist der wahre Herrscher Jerusalems, und das wird sich bei Seiner Wiederkunft zeigen. Über Ihn reden wir in unserem nächsten Beitrag.
Die Tempelreinigung
„Und das Passah der Juden war nahe, und Jesus zog hinauf nach Jerusalem. Und er fand im Tempel die Verkäufer von Rindern und Schafen und Tauben und die Wechsler, die da saßen. Und er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle zum Tempel hinaus, samt den Schafen und Rindern, und den Wechslern verschüttete er das Geld und stieß die Tische um und sprach zu den Taubenverkäufern: Schafft das weg von hier! Macht nicht das Haus meines Vaters zu einem Kaufhaus!“ (Joh. 2,13-16).
Bei allen Evangelisten ist der Bericht über die ersten Ereignisse in Jerusalem mit dem Tempel verbunden. Der Priester Zacharias bekam während seines Dienstes die Offenbarung über die Geburt seines Sohnes Johannes. Maria und Josef brachten Opfer für ihren Erstgeborenen Jesus. Im Alter von zwölf Jahren blieb der im Tempel und versetzte die Lehrer durch sein Wissen ins Staunen. Eine der Versuchungen des Sohnes Gottes durch den Teufel fand auf dem Flügel des Gotteshauses statt. Nach der Versuchung, nach dem Wunder der Verwandlung von Wasser in Wein in Kana in Galiläa und dem Besuch in Kapernaum kam Jesus mit seinen Jüngern nach Jerusalem. Es war vor dem Passa, dem wichtigsten jüdischen Feiertag, an dem unbedingt ein Lamm geopfert und am Passatisch gegessen werden musste. An diesen Tagen stieg die Bevölkerung Jerusalems um das 20- Fache, nicht selten noch mehr. Nach dem Bericht von Flavius wurden an einem solchen Tag 256.000 Lämmer geschlachtet. Das bedeutet, dass die Zahl der Pilger einige Millionen ausmachen konnte (eine Reihe von Wissenschaftlern „sieht“ aber nur eine halbe Million).
König Herodes war ein vorausschauender Regent. An der westlichen und südlichen Mauer des Tempelberges legte er Handelsstraßen an. Dort sollten neben allen möglichen Waren auch Opfertiere verkauft werden. Wieso entstand dann oben auf dem Gelände des Tempels ein anderer, ein „heiliger“ Markt? Das lag an den Interessen des Familienklans des Hohepriesters Hanna. Wenn jemand ein Lamm an den unteren Handelsstraßen kaufte, konnte er nicht sicher sein, dass die Priester, die das Tier vor der Opferung auf Fehler untersuchten, es annehmen würden. Im äußeren Tempelhof dagegen gab es für einen wesentlich höheren Preis Opfertiere, die garantiert in Ordnung waren. Alle Einnahmen aus diesem Handel flossen in den Besitz Hannas und seiner Familie. Damit lässt sich auch erklären, dass man den in Gethsemane verhafteten Jesus zu Hanna brachte. Hanna bereicherte sich auch am Geldwechsel. Jeder Jude entrichtete eine jährliche Tempelsteuer von einem halben Schekel, den viele während des Besuchs in Jerusalem bezahlten. Die Wechselstände, an denen man alle möglichen Münzen gegen den benötigten halben Schekel eintauschen konnte, waren ebenfalls auf dem Tempelberg. . Die zum Heiligtum gehenden Menschen mussten sich durch die Reihen der Händler und schreienden Geldwechsler drängen. Jesus vertrieb mit einer Peitsche sowohl die einen als auch die anderen, damit sie nicht das Haus seines Vaters entweihten, sondern ihre Geschäfte da machten, wo es vorgesehen war – unterhalb des Tempels, in den Handelsstraßen. Die Ausgrabungen entlang der Mauern belegen die beschriebene Situation.
Heute können wir über eine Straße von Herodes schreiten und uns einige der erhaltenen Handelsstände ansehen. Der Straßenbelag ist in einem Winkel so angelegt, dass sich das Regenwasser in der Mitte sammelt und nicht die Stände überflutet. In dem Museum am Ort der Ausgrabungen kann man auch die Halbschekelmünzen besichtigen und einen sehr interessanten Film über jene Zeit ansehen. Doch kein Film lässt sich mit dem Gefühl vergleichen, in die Zeit Jesu versetzt zu sein, wenn man über dieselben Pflastersteine geht wie er damals. Allerdings ist der größte Teil der Straße nur für die Augen, nicht für die Füße zugänglich. Sie ist ein großer Haufen von Steinsplittern. Das ist alles, was von den majestätischen Bauten des Tempelberges übrig geblieben ist. Die Römer zerstörten sie und warfen die Steine auf die Handelsstraße hinunter. Einen Teil der Steine benutzten die arabischen Eroberer im siebten und achten Jahrhundert für Ihre Paläste, ein anderer Teil blieb am Fuße des Berges liegen und wartete auf die Entdeckung durch die israelischen Archäologen.
Die Juden träumten immer von der Wiederherstellung des Tempels. An der Westmauer ist seit dem 4. Jhr. eine Weissagung des Propheten Jesaja eingemeißelt: „Und ihr werdet es sehen, und euer Herz wird sich freuen und eure Gebeine werden sprossen wie grünes Gras“ (Jes. 66, 14). Viele Forscher halten an der Hypothese fest, dass die Inschrift eine Reaktion auf die Genehmigung des römischen Kaisers Julian für den Tempelbau um 361 ist. Man brachte die notwendigen Baumaterialien zum Berg, aber ein plötzlich ausgebrochenes Feuer zerstörte alles. Zwei Jahre später fiel Julian in einer Schlacht mit den Persern. Der Autor der Inschrift hatte nicht begriffen, dass der neue Tempel bereits existiert. Er wurde in unseren Herzen von Christus nach seiner Auferstehung erbaut: „Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Brecht diesen Tempel ab, und in drei Tagen will ich ihn aufrichten. Da sprachen die Juden: In 46 Jahren ist dieser Tempel erbaut worden, und du willst ihn in drei Tagen aufrichten? Er aber redete von dem Tempel seines Leibes.“ (Joh.2, 19-21). Jesus reinigte den Jerusalemer Tempel, und auf dieselbe Weise reinigt er auch unsere Seelen, damit wir der Sünde fern bleiben und zu würdigen Bausteinen des Tempels seines Leibes werden.
Die Heilung in Bethesda
„Danach war ein Fest der Juden, und Jesus zog hinauf nach Jerusalem. Es ist aber in Jerusalem am Schaftor ein Teich, der auf hebräisch Bethesda heißt und der fünf Säulenhallen hat. In diesen lag eine große Menge von Kranken, Blinden, Lahmen, Abgezehrten, welche auf die Bewegung des Wassers warteten.“ (Joh. 5, 1-3).
Aus dem Bericht des Evangeliums erfahren wir den Ort und den Namen des Teiches. Obwohl in unterschiedlichen Handschriften des Neuen Testaments der Name des Teiches etwas variiert: Bethesda, Bethsata, Bilsetha, Bethsaida. Allem Anschein nach erwies es sich für die Abschreiber als schwierig. Nehmen wir deshalb das traditionelle Bethesda, vom hebräischen Beit Chesed – „Haus der Gnade“. Das Schafstor wird einige Male im Buch Nehemia erwähnt. Es blieb uns nicht erhalten. Nach den archäologischen Funden stand es unweit des heutigen Löwentores im Osten der Altstadt.
Vom Namen des Tores und seiner Lage nahe am Tempel ausgehend, kann man schlussfolgern, dass hier die Schafe für den Opferdienst gewaschen (vielleicht auch verkauft) wurden. Eine ganze Reihe von Theologen legen den Bericht des Johannes symbolisch aus. Die Kranken werden als die katastrophale geistliche Lage in der Welt dargestellt, das Untertauchen im Wasser als geistliche Heilung, die fünf Säulenhallen als die fünf Bücher Mose. Man behauptet sogar, dass die 38 Kranken-Jahre des Menschen den 38 Jahren der Wüstenwanderung der Juden entsprächen. Natürlich sehen wir in der Schrift oft eine symbolische Bedeutung, doch eine derartige Symbolik ist nicht konkret. Die Worte vom Engel, der das Wasser bewegte (Joh.5,4), fehlen in allen griechischen Handschriften. Sie wurden möglicherweise später hinzugefügt, entsprechend der menschlichen Tradition.
Für alle Christen ist Bethesda nicht wegen des heilenden Wassers oder seiner Bewegung wichtig, sondern wegen des Wunders, das Jesus an diesem Ort tat. Irgendwelche guten Menschen (oder Leute, die sich bezahlen ließen) brachten einen Gelähmten an den Teich. Aber wer wird bei diesem Andrang warten? Man brachte ihn deshalb und ließ ihn da liegen, zumal Sabbat war, an dem die Pharisäer ohnehin aufpassten, dass niemand irgendwelche Lasten trug. Dem Kranken, der die letzte Hoffnung verloren hatte, sagte Jesus: „Steh auf, nimm dein Bett und geh umher.“ (Joh. 5, 8). Der Kranke erhob sich und ging. Die Heilung geschah in einem Augenblick. 38 Jahre lag er da, aber nach den Worten Jesu erhob er sich auf die Beine, so als ob es die 38 Jahre nie gegeben hatte. „Alsdann werden der Blinden Augen aufgetan und der Tauben Ohren geöffnet werden. Alsdann wird der Lahme hüpfen wie ein Hirsch und des Stummen Zunge lobsingen“ (Jes.35,5-6).
Man könnte meinen, dass die wunderbare Heilung die Zeugen des Geschehens davon überzeugt hätte, dass der langersehnte Messias gekommen war. Doch die Vorsteher des Volkes kümmerte mehr das Einhalten der Gesetze: „Nun sprachen die Juden zu dem Geheilten: Es ist Sabbat, es ist dir nicht erlaubt das Bett zu tragen.“ (Joh. 5, 10). Kein Funken Freude über die Heilung des Kranken, nur ein Tadel – der Mensch hat den Sabbat gebrochen. Das Gebot „Traget keine Lasten am Sabbat“ (Jer.17, 21) wird sehr gut in Nehemia 13,15-19 erklärt. Der Herr gab Israel den Sabbat als Tag der Ruhe. Am Sabbat war es verboten, zu arbeiten und zu verkaufen. Und was machten daraus die Lehrer des Judentums?
In der Mischna werden 39 Verbote für den Sabbat aufgelistet. Rabbi J. Teluschkin schreibt in seinem Buch „Die jüdische Welt“, dass es am Sabbat „...verboten ist, private Sachen aus dem Haus zu tragen. Es kann Probleme bereiten, weil nicht einmal ein Taschentuch oder die Schlüssel mitgenommen werden dürfen. Man kann die Situation meistern, indem man diese Gegenstände zum Teil der Kleidung macht. Die orthodoxen Juden tragen z.B. den Hausschlüssel als Krawattennadel... Mütter mit kleinen Kindern sind am Sabbat gezwungen, zu Hause zu bleiben, da man das Kind nicht hinaustragen darf“. Was haben diese Vorschriften mit den biblischen Geboten gemeinsam? Außerdem waren die Pharisäer der Meinung, dass Jesus am Sabbat überhaupt nicht heilen durfte, insbesondere am Sabbat eines Feiertages. Sie erlaubten nur, die Kranken zu heilen, die noch vor Ende des Sabbats sterben konnten. Sie machten die Menschen zu Sklaven des Sabbats. Unser Herr antwortete den Pharisäern: „Der Sabbat ist für den Menschen und nicht der Mensch für den Sabbat.“ (Mk. 2, 27). Für Christus war es unwichtig, an welchem Tag Gutes getan werden sollte: „Mein Vater wirkt bis jetzt, und ich wirke auch.“ (Joh. 5, 17). Er vollbrachte das Wunder einer großen Heilung beim Teich Bethesda in der großen Reihe seiner messianischen Wunder.
Die Geschichte von Bethesda hat sehr tiefe Wurzeln. In den Zeiten des ersten und zweiten Tempels baute man hier tiefe Becken. Durch ein Kanalsystem wurde Wasser zum Tempelberg geliefert. Aus der Zeit Christi ist eine Wasserzisterne übrig geblieben, in die man heute hinabsteigen und Wasser schöpfen kann. Im zweiten Jhr. entweihte der römische Kaiser Hadrian viele heilige Stätten Jerusalems, unter ihnen auch Bethesda. Er baute an der Stelle des Teiches einen Tempel für Äskulap, den heidnischen Gott der Medizin. Heute sind von diesem Götzentempel nur noch ein paar Steine übrig. In der byzantinischen Zeit baute man an diesem Ort eine prächtige Kirche zum Gedenken an das Wunder des Herrn, im elften Jhr. von Khalif Al-Hakim zerstört wurde. Die Kreuzritter bauten ein kleines Kloster und die Hanna-Kirche. Nach einer der Traditionen wurde hier Maria, die Mutter Jesu geboren. Die Kirche steht auch heute noch, sie hat eine wundervolle Akustik. Um 1856 schenkte die türkische Regierung das Gebiet von Bethesda Frankreich, als Zeichen der Dankbarkeit für die Hilfe im Krimkrieg gegen Russland. Seit Ende des 19. Jhr. gibt es hier archäologische Ausgrabungen betrieben, deren herausragende Ergebnisse wir heute betrachten können. Über die Funde von Bethesda kann man sehr viel schreiben. Doch wenn man durch die ziemlich große Fläche der Ausgrabungen geht, wenn man 2000 Jahre alte Steine sieht, denkt man als Allererstes daran, dass Jesus hier die Worte sprach: „Steh auf, nimm dein Bett und geh umher.“ Genauso sagte Jesus dem erblindeten Saulus: „Steh auf und gehe.“ Mit diesen Worten spricht er zu jedem Menschen: Steh auf, durchkreuze dein altes Leben und gehe mit Ihm den einzig wahren Weg.